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Die Schriften der Calvin-Gegner sind kaum bekannt

Doch es war ein ungleicher Kampf, der zwischen Genf und Basel geführt wurde. Während die Schriften Calvins und Bezas gegen Castellio in Genf gedruckt und von dort aus in der ganzen Welt verbreitet wurden, konnten die Schriften Castellios nur heimlich als Manuskript im Untergrund verteilt und gelesen werden.

Das „Contra libellum Calvini“ mit dem berühmten gewordenen Satz „Einen Menschen töten heißt nicht eine Lehre verteidigen, sondern einen Menschen töten“ wurde erst im 17. Jahrhundert in den Niederlanden gedruckt; das „De haereticis non puniendis“ vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges in Rotterdam entdeckt und 1971 in einem Genfer Verlag veröffentlicht. Beide Streitschriften sind damals weder Calvin noch Beza, noch einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden.

Bis zu seinem Tod sah sich Castellio den Angriffen seiner Genfer Gegner ausgesetzt, die ihn offensichtlich mundtot machen und aus Basel vertreiben wollten. Dabei verlagerte sich die Kritik Calvins und Bezas von der Toleranzfrage auf Castellios Bibelübersetzungen, auf die Prädestinationslehre und andere theologische Fragen. Sie war mit heftigen verbalen Ausfällen gegen Castellio verbunden: Man beschimpfte ihn als Lügner und Verräter, als Pelagianer (Anhänger einer Lehre, wonach der Mensch aus eigener Kraft in der Lage ist, das Heil zu erlangen), als Patron aller möglichen Verbrecher, als Ketzer, Papist, Gotteslästerer und „Akademiker“, was damals so viel wie radikaler Skeptiker bedeutete.

Man warf ihm zudem vor, er habe die Bibelübersetzung unter dem Einfluss des Teufels geschrieben, er habe Holz vom Rhein gestohlen und viele andere Dinge dieser Art. Vor allem Calvin schreckte vor keiner Beleidigung und Verleumdung zurück; bekannt ist sein gegen Castellio gerichteter Fluch „Compescat te Deus, Satan“ („Gott zähme dich, du Satan“).

Moralische Stärkung erfuhr Castellio durch Melanchthon, der selbst unter den politischen und theologischen Gegensätzen im deutschen Luthertum zu leiden hatte. 1557 schrieb Melanchthon Castellio einen Brief. Darin geht er auf die religiösen Streitigkeiten der Zeit ein und lobt den Basler Professor ob seiner Gelehrsamkeit und sprachlichen Kompetenz. Calvin reagierte höchst verärgert. Noch kurz vor seinem Tod musste sich Castellio – aufgrund einer Anzeige – vor dem Basler Rat gegen den Vorwurf verteidigen, er sei Ketzer und verführe mit seinen Lehren die Jugend. Zu einem Prozess kam es jedoch ebenso wenig wie zur Verwirklichung des Planes, nach Polen auszuwandern, da Castellio am 29. Dezember 1563 in Basel starb.

Auch die letzte Äußerung des Humanisten, seine Verteidigungsschrift vor dem Basler Rat, enthält die Forderung, religiöse Streitigkeiten im Geist christlicher Liebe beizulegen: „Ich meine auch jetzt, dass die Streitigkeiten, die es unter Theologen gibt, nicht aus der Schrift beigelegt werden können, wenn nicht der Geist Christi, der die Gesinnung offenbart, und die Liebe vorhanden sind“.

Castellio hat – ebenso wie Calvin – nachgewirkt auf die Geschichte der Niederlande, der Vereinigten Staaten von Amerika sowie anderer Länder Europas. Zwar hat er keine Kirche gegründet wie der Genfer Reformator, aber seine Forderung nach Religionsfreiheit, teilweise auch der Gedanke der Trennung von Staat und Kirche, sind in den Katalog der Menschenrechte der USA und der Französischen Revolution eingegangen. Sie sind in viele Verfassungen aufgenommen und selbstverständliches Gedankengut des modernen Menschen geworden. •

Dr. Uwe Plath

geb. 1942, ist Historiker und Theologe und hat einen Teil der Schriften Sebastian Castellios übersetzt und kommentiert.

Literatur

Sebastian Castellio, Gegen Calvin. Contra libellum Calvini. Übersetzt von Uwe Plath. Essen 2015. Uwe Plath, Der Fall Servet und die Kontroverse um die Freiheit des Glaubens und Gewissens. Essen 2013.

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