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Christen verfolgen sich „heftiger als die Türken die Christen“

In seinem Vorwort unterscheidet Bellius zwei Arten von Ketzern: Die einen seien es wegen ihres Lebenswandels, die anderen wegen ihrer Religion. Über die Letztgenannten falle ein Urteil schwer, wie die Streitigkeiten der Christen etwa über Taufe, Abendmahl, Heiligenverehrung, Rechtfertigung bewiesen. Daran zeige sich auch: „Katholiken, Lutheraner, Zwinglianer, Täufer, Mönche und andere verfolgen und verurteilen sich untereinander heftiger als die Türken die Christen.“ Dabei beruhten diese Kontroversen allein auf Unkenntnis der Wahrheit.

Daher ruft Bellius zu Toleranz in Fragen der Religion auf (mit Worten, die auch heute aktuell sind): Die Juden und Türken sollten die Christen nicht verfolgen; diese nicht die Türken oder Juden. „Ebenso sollen wir Christen uns nicht gegenseitig verurteilen, sondern wenn wir klüger sind, sollen wir auch besser und barmherziger sein. Denn je besser einer die Wahrheit kennt, umso weniger ist er geneigt, andere zu verurteilen“. Unterstrichen werden die Forderungen für Toleranz vor allem durch Stellen des Neuen Testaments, etwa durch das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen (Matthäus 13, 24 – 43) und mit dem Hinweis auf den Tag des Gerichts (1. Korinther 4, 5): „Darum richtet nicht vor der Zeit, bis der Herr kommt, der das in der Finsternis Verborgene ans Licht bringen und die geheimen Gedanken der Menschen offenbaren wird.“

Mit Castellios „De haereticis“ und Calvins „Defensio“ war der Streitschriftenkrieg zwischen Castellio und Calvin nicht beendet: Castellio antwortete auf Calvins „Defensio“ mit dem „Contra libellum Calvini“ („Gegen das Büchlein Calvins“); Theodor Beza, Calvins engster Vertrauter, auf das „De haereticis“ mit dem „De haereticis puniendis“ („Über die Bestrafung von Ketzern“). Castellio widersprach Beza mit dem „De haereticis non puniendis“ („Über die Nichtbe‧strafung von Ketzern“), das er 1555 fertigstellte.

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